Rückblick: Werkstattgespräch #1

Am 11. März war es endlich so weit: Wir haben die Ergebnisse der im vergangenen Jahr durchgeführten Befragung offiziell veröffentlicht und im Rahmen einer Podiusmdiskussion diskutiert. Ein kurzer Rückblick: Vom 15.08.2022 bis zum 15.10.2023 haben wir eine Befragung zum Leben, Zusammenleben und zur zukünftigen Entwicklung des Berliner Viertels durchgeführt. Insgesamt haben wir 225 ausgefüllte Fragebögen zurück erhalten und ausgewertet. Die gesamte Auswertung der Befragung findet sich hier.

Kennt ihr eigentlich schon die interaktive Karte zur Befragung?

Die Fertigstellung des Berichts nahmen wir zum Anlass, zu einer Podiumsdiskussion ins Mehrgenerationenhaus zu laden. Eingeladen zu diesem ersten, sogenannten „Werkstattgespräch“ waren alle interessierten Bürgerinnen und Bürger, um gemeinsam mit einer Auswahl an Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Zivilgesellschaft im Rahmen einer interaktiven Podiumsdiskussion die Ergebnisse der Befragung zu besprechen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Kurt A. Holz, welcher dem Mehrgenerationenhaus und seiner Arbeit seit vielen Jahren eng verbunden ist. Neben Georg Scheyer (Stadtteilmanager) waren Derya Kaya Ergül (Türkisch Islamische Gemeinde zu Monheim e.V.), Achim Tang (Artist in Residence Monheim Triennale) und Lucas Risse (stellvertretender Bürgermeister) als Gäste geladen. Angefragt wurde auch eine Vertreterin der LEG, welche allerdings leider ihre Teilnahme an der Veranstaltung abgesagt hatte. Vor dem eigentlichen Beginn der interaktiven Podiumsdiskussion stellte Nils Wadenpohl (Koordinator des Mehrgenerationenhauses) das Bundesprogramm „Mehrgenerationenhäuser“ des Bundeamts für Familien und zivilgesellschaftliche Aufgaben vor und gab einen kurzen Einblick in das Projekt und die Ziele der Demokratiewerkstatt. Projektmitarbeiterin Melissa Dilara Ergen stellte anschließend die zentralen Umfrageergebnisse vor und ging zudem ebenfalls kurz auf die Begriffe „Problemviertel“ und „sozialer Brennpunkt“ ein, als welches auch das Berliner Viertel oftmals bezeichnet wird. Hierbei betonte Ergen, dass solche „Problemviertel“ in der Regel nicht auf lokalen Ursachen beruhen, sondern aus grundsätzlicher, sozialer Ungleichheit resultieren. Im nächsten, interaktiven Part der Veranstaltung wurden die Besucherinnen und Besucher dann gebeten, in der begehbaren Ergebnisgalerie jene Befragungsergebnisse zu markieren, welche sie als besonders wichtig empfanden und deshalb im Rahmen der Podiumsdiskussion angesprochen werden sollten. Daraufhin führte Dr. Holz in die eigentliche Diskussion ein. „Endlich jemand der sich diesem Thema mal annimmt“, so Derya Kaya Ergül, die äußerst glücklich darüber war, dass das Berliner Viertel und sein Image genauer unter die Lupe genommen wird. Einig waren sich alle Teilnehmenden in einem Punkt: Das Berliner Viertel ist besser als sein Ruf. Dass das Viertel allerdings mit vielen Vorurteilen zu kämpfen hat, lässt sich an den Ergebnisse der Befragung ablesen. Lucas Risse zeigte sich hierbei allerdings nicht sonderlich überrascht über die Ergebnisse der Studie und merkt an, dass die angesprochenen Probleme durchaus bereits bekannt sind und zudem auch schon seitens der Stadt an deren Lösung gearbeitet wird.

Sperrmüll im Viertel – kommt und geht.

Neben der Müllproblematik sind es insbesondere die vielen Ratten und der Lärm, welche in der Befragung immer wieder als Problembereiche genannt werden. In der Befragung lassen sich zudem Unterschiede in der Art und Weise, wie die Menschen, welche im Viertel wohnen, dieses wahrnehmen und wie Außenstehende aus dem restlichen Stadtgebiet das Viertel sehen, konstatieren . Diese, vermutlich, standortbedingten Deutungsdiskrepanzen wurde ebenfalls in der Diskussion angesprochen. Hier herrschte zwischen den Diskutanen ebenfalls grundsätzlich Einigkeit: Die Verbesserung der Außendarstellung des Viertels ist genau so wichtig, wie die eigentliche Lösung der Probleme. Herr Scheyer wies darauf hin, dass das Viertel das am dichtesten besiedelste im ganzen Stadtgebiet ist und Probleme, die es auch grundsätzlich in Reihenhaussiedlungen gibt, hier dementsprechend deutlicher und im größerem Ausmaße anfallen. Mit knapp 25 % der Gesamtbevölkerung von Monheim am Rhein leben im Berliner Viertel tatsächlich sehr viele Menschen auf engstem Raum zusammen. Auch Achim Tang findet es besonders wichtig, dass dieser Aspekt deutlicher bedacht werden sollte, wenn über das Berliner Viertel und die damit einhergehenden Thematiken gesprochen wird, denn dies „lässt sich einfach nicht wegdiskutieren“. Überraschend für alle ist der große Anteil jener Menschen im Viertel, welche sich grundsätzlich ehrenamtlich engagieren würde. „Die Bereitschaft, sich im Nachbarschaftsumfeld zu engagieren, ist dann doch im Berliner Viertel ein Stück weit besser ist als im Rest der Stadt.“, so Lucas Risse. Er sieht diese Engagementbereitschaft als große Chance für das Viertel. Für Achim Tang müssen diesen Menschen die richtigen Projekte angeboten werden. Er merkt er an, dass ehrenamtliches Engagement „bestimmte Bedingungen braucht um Möglichkeiten zu schaffen, sich zu engagieren und es muss geschaut werden, wie der Raum dafür geöffnet werden kann, damit die Menschen animiert werden sich aktiv zu beteiligen. „Die Möglichkeiten sind da, man muss es nur tun.“ Die grundsätzlichen Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement ist auch für unsere Arbeit ein wichtiger Aspekt, welchen wir aus dieser Befragung mitnehmen werden. Georg Scheyer sprach zudem die Problematik von Schuldzuweisungen innerhalb des Viertels an: Es ist oftmals einfacher, die bestehenden Probleme im Viertel auf andere, als Verursacher dieser, zu schieben. Die Befragungsergebnisse zeigen allerdings auch, dass sich der Großteil der Bewohnerschaft des Viertels durchaus bewusst ist, dass sie einen bedeutenden Teil zur Lösung der Probleme vor Ort beitragen könne. Schnell wurde hier eine Brücke geschlagen zu einem ganz besonderen Phänomen im Viertel: Wild abgestellte Einkaufswagen. Wer schonmal durch das Berliner Viertel gelaufen ist, wird mit Sicherheit an dem ein oder anderen Einkaufswagen vorbeigelaufen sein. Georg Scheyer erinnerte sich an Zeiten, in denen wöchentlich bis zu 160 Einkaufswagen eingesammelt werden mussten. Derya Kaya Ergül löst dieses Problem für sich auf eine ganz pragmatische Art und Weise: Regelmäßig nimmt sie auf dem Weg zum Einkaufen herrenlose Einkaufswagen mit zurück zum Geschäft.

Einkaufswagen gehören zur Erstausstattung einer jeden Wohnung im Berliner Viertel (Achtung: Satire!).

Hinsichtlich des Müllproblems merkt Georg Scheyer an, dass hier bereits große Anstrengungen stattfinden, um dem regelmäßig ausufernden Sperrmüll zu bewältigen. Aktuell wird bereits im wöchentlichen Rhytmus durch die Stadt und die LEG Sperrmüll abgeholt. Für ihn sind diese Müllberge dennoch problematisch, denn sie hinterlassen ein „bleibendes Bild“ für Besucherinnen und Besucher des Viertels, welches er als „Katastrophe für die Außenwirkung“ beschreibt. Ferner merkt er an, dass die Außenwirkung des Viertels auch an das Müllproblem, die Ratten und die Einkaufswagenproblematik geknüpft ist und so nachhaltig das Image des Viertels beschädigt wird. Für Lucas Risse haben sich diese Probleme allerdings bereits deutlich verbessert. Dennoch sind diese Probleme insbesondere auch durch Social Media omnipräsent. „Das Hauptproblem aus meiner Sicht ist, das so ein Image entsteht, dass in der Außenwahrnehmung sehr sehr schlecht ist und die Innenwahrnehmung […] gänzlich eine andere ist“, so Risse. Ferner empfindet er das Image des Viertels bzw. dessen nachhaltige Schädigung als viel bedeutender, als die Kosten, die letztendlich für die Problembeseitigung anfallen. Er ist sich aber auch sicher: Wenn nun „weitergemacht wird wie bisher“, ist das Berliner Viertel auf einem sehr guten Weg, sein schlechtes Image zu verlieren. In einem Punkt sind sich alle grundsätzlich einig: Die Umfrage zeigt deutlich, dass es auch viel Lebenswertes im Berliner Viertel gibt, die Probleme allerdings deutlich schwerer gewichtet werden. Nicht zuletzt gilt es noch zu erwähnen, dass bereits sehr viel für das Viertel gemacht wurde und wird, sowohl seitens der Stadt als auch durch ehrenamtliches Engagement aus der Bürgerschaft heraus. Achim Tang erwähnte hier beispielsweise das Urban Gardening Projekt „Alles wird Grün“. Dessen Ziel ist es, eine Art Stadtgarten im Quartier zu etablieren. Dieses Projekt baut hervorragend auf dem bereits besonders geschätzten „grünen Charakter“ des Berliner Viertels auf.

Hoch die Toupets!

Wir, als Demokratiewerkstatt im Berliner Viertel, werden die Befragungsergebnisse als Grundstein für weitergehende Aktivitäten und Projekte im Viertel nutzen. Wir freuen uns über jede Anregung aus der Bevölkerung und laden alle interessierten Menschen herzlich zur Mitarbeit ein. Gemeinsam möchten wir mit kleinen Projekte das Leben und Zusammenleben im Viertel nachhaltig verbessern. Nachfolgend finden sich noch einige Fotos, sowie ein Audiomitschnitt der Veranstaltung zum „nachhören“.

Audiomitschnitt der Veranstaltung

Teil 1: Begrüßung und Vorstellung
Teil 2: Podiumsdiskussion (1)
Teil 2: Podiumsdiskussion (2)